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Gerät

Ernemann «Kino» - Eine frühe Schmalfilmkamera für Amateure

Filme drehen, projizieren und kopieren mit 1 Gerät.
Ernemann «Kino» - Eine frühe Schmalfilmkamera für Amateure

Halb so breit

1903, rund acht Jahre nach den ersten Filmvorführungen der bekannten Kinopioniere Lumière, Skladanowsky und Edison, brachte Heinrich Ernemann in Dresden nach eigenen Angaben die erste Schmalfilmkamera für Amateure heraus. Sie hiess ganz einfach «Kino» - und konnte zum Filmen, Projizieren und Kopieren verwendet werden. 

Der Multifunktions-Apparat war für eine Filmbreite von 17½ Millimeter gerüstet, was sich durch die Halbierung des gängigen 35mm-Kinofilms ergab. Die Perforation befand sich jedoch in der Mitte zwischen den Bildern, ähnlich wie beim 9.5mm-Film. Der damit auf dem Filmstreifen zur Belichtung freibleibende Bereich betrug 16x10mm. Somit entstand ein Bildformat, das mit einem Seitenverhältnis von 16:10 demjenigen vieler heute gebräuchlichen PC-Bildschirmen entspricht. 

Technische Eigenschaften

Die Kamera war sehr handlich, nur 800 Gramm schwer und wurde mechanisch mit einer Handkurbel angetrieben. Dadurch konnte sie überall hin mitgenommen werden. Der Filmtransport konnte auf 1 Bild pro Kurbelumdrehung oder 8 Bilder pro Umdrehung eingestellt werden. 

Film-Amateure konnten von nun an ihren Alltag, Erlebtes und Entdecktes festhalten. Die «Kino» blieb allerdings ein Luxusartikel für Betuchte, die sich die Kamera leisten konnten und die genügend Zeit und Musse hatten, sie zu gebrauchen. Sie wurde bis 1914 in einer ansehnlichen Stückzahl hergestellt. Als «Kino II» kam bereits 1904 eine zweite, verbesserte Ausgabe auf den Markt. 

Die Firma Ernemann

1926 schlossen sich die Ernemann-Werke, die hauptsächlich Kameras, Projektoren und Objektive herstellten, mit zwei weiteren optischen Firmen zur noch heute bekannten Zeiss Ikon zusammen. Damit endete die Geschichte des 1889 gegründeten Familienunternehmens. Der Name Ernemann lebte aber noch lange weiter: In den Typenbezeichnungen der 35mm-Filmprojektoren von Zeiss-Ikon, die bis zur heutigen modernen, computergesteuerten Ernemann 15 durchnummeriert wurden. 

Wirklich die erste Amateurfilmkamera?

Ernemann pries die Kamera seinerzeit selber als erste Filmkamera für Amateure an. Doch bereits ein Jahr zuvor, 1902, schuf Fridolin Kretzschmar in Dresden ein 17.5mm-Filmsystem. Seine Weiterentwicklung davon war ein Jahr später, gemäss kinocameras.com, praktisch identisch mit der Ernemann Kino II. Wie es kam, dass Ernemann fast baugleiche Kameras wie Kretzschmar herstellte und wer da wem abgeschaut hat oder ob sie gar zusammengearbeitet haben - schliesslich befanden sich beide in derselben Stadt - sei noch nicht ganz erforscht. 

Unsere Geräte

Die Geräte in unserem Bestand, zwei Kameras und eine Vorrichtung zur Projektion, sind eine Gabe der Familie des Chemikers und Nobelpreisträgers Richard Ernst. Aus seiner Sammlung haben wir auch ein paar Kauffilme aus Deutschland in diesem Format.

Im nachfolgenden Video zeigen wir ein paar Ausschnitte, zur Illustration teilweise mit, teilweise ohne Perforation. Aufgrund des speziellen Filmformats nahmen wir die Digitalisierung mit der Kinetta vor, die den Filmtransport ohne Zahnrollen oder schrittweisen Filmtransport erlaubt. Die Digitalisate möchten wir weiter optimieren und stabilisieren - helfen Sie uns dabei?

Angaben zu den Filmen

Archivnummer

#155, #353355

Bestände

Essens-Szene und Frau im Bett: Walter A. Ritschard

Militär-Filme: Robert Ernst

Format:

17.5mm, 16:10

Materialtyp:

Nitrat

Bildfarbe:

s/w

Länge:

40m, 100m

Bildrate:

16 fps

Ton:

stumm

Digitalisierung:

2k Scan

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1903 wählte Heinrich Ernemann die Lichtgöttin als Firmenzeichen. Sie ist auf der weinroten Kameraschachtel erkennbar (Foto: Steff Bossert)
1903 wählte Heinrich Ernemann die Lichtgöttin als Firmenzeichen. Sie ist auf der weinroten Kameraschachtel erkennbar (Foto: Steff Bossert)
Schachtel mit zwei 17.5mm-Kauffilmen.
Schachtel mit zwei 17.5mm-Kauffilmen.
17.5mm Filmstreifen (unten) mit entsprechendem Screenshot des Digitalisats.
17.5mm Filmstreifen (unten) mit entsprechendem Screenshot des Digitalisats.
Die KINO, später KINO I genannt, erschien 1903. (Foto: Raff Fluri)
Die KINO, später KINO I genannt, erschien 1903. (Foto: Raff Fluri)
Die Kino I wies zwei separate Magazine mit Tageslichtspulen auf. Unterhalb des Suchers auf der Oberseite der Kamera, sieht man den Schlitz, wo der Film eingefädelt werden musste.
Die Kino I wies zwei separate Magazine mit Tageslichtspulen auf. Unterhalb des Suchers auf der Oberseite der Kamera, sieht man den Schlitz, wo der Film eingefädelt werden musste.
Die Kino I transportierte den Film mit einem Greifer und stabilisierte das Filmbild mit einem Sperrstift, der im Moment des Stillstands und der Belichtung in die Perforation griff.
Die Kino I transportierte den Film mit einem Greifer und stabilisierte das Filmbild mit einem Sperrstift, der im Moment des Stillstands und der Belichtung in die Perforation griff.
Die Kino II kam bereits 1904 auf den Markt. (Foto. Raff Fluri)
Die Kino II kam bereits 1904 auf den Markt. (Foto. Raff Fluri)
Im Gegensatz zur KINO I wies sie 1 Magazin mit zwei Kammern sowie eine Schaltrolle mit Malteserkreuzmechanismus zwecks Filmtransports auf.
Im Gegensatz zur KINO I wies sie 1 Magazin mit zwei Kammern sowie eine Schaltrolle mit Malteserkreuzmechanismus zwecks Filmtransports auf.
17.5mm Filmstreifen (unten) mit entsprechendem Screenshot des Digitalisats.
17.5mm Filmstreifen (unten) mit entsprechendem Screenshot des Digitalisats.
Die Lichtgöttin als Logo der Firma Ernemann auf dem Federmechanismus...
Die Lichtgöttin als Logo der Firma Ernemann auf dem Federmechanismus...
...und an der Frontseite der KINO II. (Fotos: Raff Fluri)
...und an der Frontseite der KINO II. (Fotos: Raff Fluri)
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Arbeit
Digitalisierung der Filme, analoge Vor- und digitale Nachbearbeitung, Fotografien, Verfassen des Artikels
Material
Kinetta, Fotokamera, Verbauchsmaterial zur Restaurierung
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