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Gerät

Nagra SN

Ein Tonaufnahmegerät so klein und flexibel, dass sogar Geheimdienste und die Polizei es zur Spionage einsetzten. Auch "Mini-Nagra" genannt.
Nagra SN

Eine Legende der Tonbandgeräte in Miniaturform

Unter Tontechnikern ist “Nagra” ein Begriff. Das erste professionelle und transportable Tonbandgerät «Magnetophon Nagra I» wurde 1951 von einem Schweizer Studenten, Stefan Kudelski, erfunden. Er konnte es gleich in zwei Exemplaren ans «Radio Suisse Romande» verkaufen. Kudelski entwickelte die Maschine laufend weiter. Sie wurde schon bald ein unverzichtbares Arbeitsinstrument für Tontechniker und Journalistinnen beim Rundfunk.

1958 kam das «Nagra III» mit Synchronspur, das speziell auf die Bedürfnisse beim Film zugeschnitten war. Die edle Kiste war zwar mobil, aber gute 6,5 Kilogramm schwer. John F. Kennedy wurde während seiner knapp zweijährigen US-Präsidentschaft (1961-63) auf das blühende und innovative Unternehmen Kudelski S.A. in Cheseaux-sur-Lausanne aufmerksam und beauftragte Kudelski mit dem Bau eines Kleinsttonbandgeräts, das für Spionagezwecke geeignet sein sollte.

«SN» steht treffend für «Série Noire»

Kudelski und sein Team übertrafen sich selbst und entwickelten das «Nagra SN». «SN» für «Série Noire», ein passendes Kürzel für ein Gerät, das versteckt eingesetzt wurde – und das es bis 1970 offiziell gar nicht gab. 

Das «audiophile Schweizermesser», wie das Mini-Nagra später von einem Journalisten bezeichnet wurde, war auch in der Stereo-Version nur gerade 590 Gramm schwer und es fand mit 146 x 101 x 26 Millimeter locker in der Westentasche Platz (Nagra SNST).

Natürlich war es batteriebetrieben, aber um Strom zu sparen wurden die Bänder von Hand zurückgespult. Dazu konnte eine kleine Kurbel ausgeklappt werden, die mit spitzen Fingern und etwas Geschick ein schnelles Umspulen der nur 3,81 Millimeter (0,15 Zoll) breiten Magnetbänder ermöglichte.

Fichen, Stasi, Nachtgeschichte

1970 präsentierte Kudelski das Nagra ST auf der Photokina in Köln und ab 1971 war das kleine Technikwunder frei käuflich. Schweizer Behörden und Kantonspolizeien gehörten nun ebenso zu den Kunden und sie verwendeten das Mini-Nagra zur Überwachung der eigenen Bürger:innen (Fichenaffäre). Wenig erstaunlich, dass auch die DDR-Stasi zu den Käuferinnen gehörte.

Doch auch die Profis der Filmbranche stürzten sich auf die Innovation aus Lausanne, denn es gab noch lange keine Ansteckmikrofone mit Funkübertragung. Das Mini-Nagra eröffnete erstmals die Möglichkeit, Schauspieler:innen mit einem Aufnahmegerät auszustatten und lippennah ihre Stimmen und Geräusche aufzuzeichnen.

Expeditions- und Autorenfilmer:innen nutzten das kleine Nagra, so auch Clemens Klopfenstein, der schon bei den Dreharbeiten für seinen Essay-Reisefilm «Geschichte der Nacht» (1978) den Ton mit einem Mini-Nagra aufnahm. Kürzlich hat eine Lichtspiel-Delegation Klopfenstein in Italien besucht und dabei seine Mini-Nagra-Ausrüstung erhalten. Das Gerät wird nun von den Spezialisten im Lichtspiel revidiert und der Koffer sanft aufgeräumt, denn er soll auch in Zukunft einen unverblümten Einblick in die Vergangenheit und Arbeitsweise des bekannten Schweizer Filmschaffenden gewähren.

Beitrag über das Nagra SN

Oral History

Im Rahmen der Oral-History-Aufzeichnungen der Kinemathek Lichtspiel entsteht zurzeit ein mittellanger Beitrag über den Filmemacher Clemens Klopfenstein und eine Wechselausstellung mit seinem portablen Schneidetisch und dem Nagra SN. Der Premierentermin wird rechtzeitig auf der Lichtspiel-Webseite und im Programmflyer angekündigt.

Für den Film  «Operation Silence» von Werner Swiss Schweizer durften wir die im Film gezeigten Tonbänder überspielen und digitalisieren. Gegen Ende des Trailers ist unser «Mini-Nagra» in Aktion zu sehen:

Das Nagra SN von Clemens Klopfenstein - mit zwei beschrifteten Tonbändern, die für «Der Ruf der Sibylla» (1985) verwendet wurden. Foto: Steff Bossert
Das Nagra SN von Clemens Klopfenstein - mit zwei beschrifteten Tonbändern, die für «Der Ruf der Sibylla» (1985) verwendet wurden. Foto: Steff Bossert
Das Nagra SN in Clemens Klopfensteins Koffer. (Foto: Steff Bossert)
Das Nagra SN in Clemens Klopfensteins Koffer. (Foto: Steff Bossert)
Im Film «Operation Silence» von Werner Swiss Schweizer spielt das «Mini-Nagra» eine entscheidende Rolle (Filmstill: Dschoint Ventschr Filmproduktion)
Im Film «Operation Silence» von Werner Swiss Schweizer spielt das «Mini-Nagra» eine entscheidende Rolle (Filmstill: Dschoint Ventschr Filmproduktion)
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